Laut Mittelalterforschung waren die sogenannten Apostolischen Armutsbewegungen des 12. und 13. Jahrhunderts, die ein Leben in Armut nach dem Vorbild der Apostel priesen, zum einen eine Antwort auf die Forderung nach einer religiösen Reform und zum anderen eine Reaktion auf die sozio-ökonomischen Veränderungen der Zeit. Sie waren Ausdruck des Willens, „anders“ zu leben. Im 15. Jahrhundert haben andere Bewegungen, besonders in Böhmen, eine Denkweise sowie Praktiken entwickelt, die die ursprüngliche Kirche verkörpern sollten; doch standen ihnen – Hand in Hand mit den zivilen Gewalten – die charismatischen Prediger der Observanz als Befürworter einer Rückkehr der Regularkleriker in einer größeren Regeltreue und Urheber einer religiösen Reform, die eine wahre soziale Erneuerung war und in die Vollendung einer christlichen Gesellschaft (societas christiana) mündete, die durch Gleichförmigkeit und Gehorsam gekennzeichnet war, gegenüber.Solcherlei Erscheinungen haben zumindest teilweise auf dem beruht, was man heute die religiöse „Erweckung“ nennt, auf einer demonstrativen und affektiven Frömmigkeit, auf einem festeren und weniger gewohnheitsmäßigen Glauben auf der Welt, wiederbelebt durch die Bekehrung und den Aufruf zur Buße und zum Studium der heiligen Schriften sowie dem Wunsch, diese zu verbreiten. Somit tragen diese Erscheinungen die selbe Mehrdeutigkeit in sich wie jene, die in Deutschland innerhalb der Lebensreform-Bewegung Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts entstanden sind: Die Suche danach, ob sie Bekundungen einer „Modernität“ oder Reaktionen auf die „Modernität“ sind, hat kaum Sinn und führt sehr schnell in Widersprüche. Auffällig ist dagegen die Übereinstimmung der Themen und Mittel, die insbesondere für den spezifischen Kontext der 1920er-Jahre beobachtet werden kann, als einige deutsche Regionen von Predigern durchwandert wurden, den Inflationsheiligen, die die selben Prozesse in Gang setzten wie die Wanderprediger ausgangs des Mittelalters.Die Massenerscheinungen, die mit der Ausübung der Predigt (Wunder, Bekehrungen, Einfluss auf das gesellschaftliche und öffentliche Leben) verbunden waren, haben somit die Jahrhunderte durchlaufen. Sie können die Mediävisten oder noch stärker die Religionshistoriker dazu anregen, bestimmte Bewegungen der jüngeren Vergangenheit ins Verhältnis zu setzen, besonders in Deutschland, wo die wirtschaftliche, soziale und moralische Krise stark von Religiosität gefärbt war, vor allem von der messianischen und millenaristischen Erwartung eines Strebens nach dem „anders leben“ des beginnenden 20. Jahrhunderts. Ein solcher Ansatz trägt dazu bei, die grundlegenden Elemente einer Lehre der religiösen Erweckung zusammenzutragen, die man gleichfalls in den sogenannten Neo-Pfingstbewegungen entdecken kann, die sich seit etwa vier Jahrzehnten entwickeln.